Immer mal wieder den eigenen Horizont zu erweitern sorgt nicht nur für Abwechslung im Alltag, sondern auch für vielleicht völlig neue Sichtweisen. So geschehen, als wir uns das Rocky Mountain Sherpa zum Einzeltest geholt haben. Die Kategorie „Overland Bike“, die Rocky Mountain für das Sherpa neu kreiert hat, ist eigentlich nicht ganz unser Bereich. Da wir von der Plattform aber vermehrt positives gehört haben, war es an der Zeit uns selbst ein Bild des Sherpa zu machen.

Das Design ist sehr gelungen und mal etwas anderes.
Das Design ist sehr gelungen und mal etwas anderes.

Rocky Mountain war eine der ersten Firmen, die mit den neuen 650b + Laufrädern experimentiert hat bzw. ein Bike auf eben jene Reifen gestellt hat. Die Basis des Sherpa bildet der bekannte 29er Element Carbon Rahmen, der mit einem modifizierten, breiteren Hinterbau aus Aluminium kombiniert wird. Das spart nicht nur Entwicklungskosten, sondern sorgt auch für ein akzeptables Gewicht von knapp über 13,5 kg (Größe M)  inklusive Pedalen. Die Geometrie fällt eher kompakt aus, was den Tourencharakter unterstreicht, aber auch eine gewisse Agilität und Verspieltheit auf dem Trail erzeugen dürfte. Der Grundgedanke unseres Tests war es dann auch das Sherpa nicht voll bepackt über mehrere Tage durch unwegsames Gelände zu bewegen, sondern die Alltagstauglichkeit und die Trailfähigkeiten zu bewerten.

Quelle: Rocky Mountain
Quelle: Rocky Mountain

Das in unseren Augen breitere Einsatzgebiet unterstreicht Rocky Mountain mit der Ausstattung des Sherpa, welches aktuell nur in einer Variante angeboten wird. Der 2×10 Antrieb basiert auf Shimano´s XT und Race Face Komponenten. Das Fahrwerk kommt aus dem Hause Manitou und verfügt über eine abgespeckte Magnum mit 120mm an der Front und einem McLeod Dämpfer mit 95mm für das Heck. Der Dämpfer wurde extra auf die Kinematik des Sherpa angepasst und die Magnum verfügt „nur“ über eine Verstellung der Zug- und Druckstufe. Abgerollt wird auf WTB Scraper i45 Felgen mit WTB Trailblazer Bereifung in 2,8“. Der Hinterbau schluckt Reifen bis 3,25“ und Dank dem wachsenden Angebot in diesem Segment kann man durchaus mit anderer Bereifung experimentieren. Rocky Mountain setzt bewusst (noch) nicht auf den neuen Boost Standard, um im Falle einer Panne auf breit verfügbare Komponenten zurück greifen zu können. Als Bremse wird Shimano´s M506 mit 180er Scheiben eingesetzt. Der Rest des Sherpa setzt sich aus bewährten Race Face Komponenten zusammen. Optisch hat Rocky Mountain einfach ein Händchen für ausgefallene Designs und gestaltet das Sherpa mit einem tibetanischen Drachenmuster. Das ist wie immer Geschmackssache, wir persönlich waren allerdings sehr angetan davon.

Tibetanische Drachen sieht man nicht alle Tage
Tibetanische Drachen sieht man nicht alle Tage

Genug der grauen Theorie, schließlich wollen wir wissen wie sich diese neue Bike-Kategorie fahren lässt. Wir begaben uns in das gewohnte Testgebiet im Taunus und unserem heimischen Mittelgebirge. Der Tourencharakter des Sherpa überzeugt wie erwartet mit einer angenehmen Sitzposition (Fahrer 1,75cm) und einer guten Beschleunigung, die man von der Bereifung so erstmal nicht wirklich erwartet. Die Trailblazer sind vom Profil her für befestigte Wege, Sand und Schnee ausgelegt und haben einen erfreulich geringen Rollwiderstand trotz der von uns gewählten 0,8 Bar Druck. Ungewollte Antriebseinflüsse durch starkes Pedalieren lassen sich gut durch die verstellbare Plattform des McLeod Dämpfers minimieren. Dieser macht seine Arbeit generell sehr unauffällig aber zuverlässig und überzeugte uns über den ganzen Testverlauf mit einem sensiblen Ansprechverhalten. Bergauf beweist das Sherpa sehr gute Klettereigenschaften und schont durch Gewicht und Übersetzung des Antriebs die Kräfte des Fahrers. Es macht schlichtweg Spaß mit dem Sherpa Höhenmeter zu vernichten, was auch daran liegt, dass die Plus Bereifung eine sehr hohe Traktion liefert und wenig bis keine Energie durch wegrutschen der Reifen auf lockerem Untergrund verliert. Die Manitou Magnum verfügt über ein Lockout, um auf längeren Bergaufpassagen zur Ruhe gebracht zu werden. Auf Touren sowie Bergauf überzeugt die Magnum auch durch eine gute Funktion und passendes Ansprechverhalten. Die 120mm sind völlig ausreichend für das Haupteinsatzgebiet des Sherpa und man vermisst die fehlenden Einstellungsmöglichkeiten nicht. Irgendwann geht es dann aber Bergab und wer uns kennt, der weiß, wir lieben Bergab.

Bergauf geht deutlich entspannter als es hier den Anschein macht...
Bergauf geht deutlich entspannter als es hier den Anschein macht…

Gabel auf, Dämpfer auf, Trail ausgesucht und Attacke. Das Sherpa ist kein wirkliches Trailbike, zumindest nicht per Definition. Aber am Ende entscheidet wie immer, was man daraus macht. Auf den Trails rund um den Feldberg, die durchaus steil und ruppig werden können, wusste das Sherpa zu überzeugen. Allerdings erhöhten wir hier den Reifendruck auf 1 Bar, was uns mehr Sicherheit in den Anliegern brachte. Die Plus Bereifung generiert wie bereits gesagt ein sehr hohes Maß an Traktion und damit auch Vertrauen. Geht man es richtig schnell an, geraten die WTB Reifen aber auf losem Untergrund an ihre Grenzen. Hier sollte eine andere Bereifung mit mehr Profil schnell Abhilfe schaffen. Das Sherpa lässt leichte Sprünge problemlos zu und lässt sich aufgrund der kompakten Geometrie angenehm verspielt auf dem Trail bewegen. Kritik erntet Bergab von uns nur die Bremse, die nicht mit dem Rest des Sherpa harmonierte und trotz der hohen Traktion der Reifen bei starker Beanspruchung in der Leistung nachgab. Rücksprache mit Rocky Mountain ergab hier, das für das nächste Update des Sherpa eine andere Bremse gewählt wird. Ebenfalls nicht ganz zu überzeugen wusste die Magnum Gabel. Was bei Touren super funktioniert muss nicht zwingend auf dem Trail passen. Die Gabel ließ uns zwar nie im Stich und führte auch nicht zu brenzligen Situation, allerdings fanden wir kein wirklich passendes Setup für uns.

Auf dem Trail vermissten wir etwas Sensibilität an der Front und waren entweder über- oder unterdämpft unterwegs. Auch konnte die Performance der Gabel nicht mit der des Dämpfers mithalten, der trotz seines kurzen Federwegs erstaunlich unbeeindruckt blieb und sich immer nach mehr Federweg anfühlte. Problematisch ist das allerdings nicht, wenn man bedenkt für was das Sherpa eigentlich gedacht ist. Und das ist eben nicht ausuferndes Trailgeballer, sondern eine sehr gute Mischung aus Tourentauglichkeit und der Option Bergab trotzdem eine gewisse Menge Spaß zu haben. In dieser Kategorie weiß das Sherpa dann auch voll zu überzeugen und macht Laune. Wir sind gespannt was Rocky Mountain noch aus der Plattform macht, denn diese hat in unseren Augen noch Potential für mehr.

Für den lockeren Trail problemlos einsetzbar
Für den lockeren Trail problemlos einsetzbar

Fazit:

Die etwas unterdimensionierte Bremse ist unserer Meinung nach für ein Bike dieser Preisklasse die falsche Wahl. Der deutsche Importeur Bike Action hat hier aber wie bereits erwähnt ein Update versprochen. Die leichten Abzüge was die Magnum Gabel anbelangt gehen in Ordnung, da wir das Sherpa auch außerhalb des eigentlichen Einsatzgebietes bewegt haben. Trotz dieser Kompromisse liefert es immer noch eine sehr gute Performance auf dem Trail und macht Lust auf mehr. Für einen Preis von 4.200 Euro erhält man ein Bike, welches mehr kann als man auf den ersten Blick vermutet, dem Fahrer viel Spaß vermittelt und absolut alltagstauglich ist. Eine wirklich gute Pionierarbeit, die Rocky Mountain hier geleistet hat.

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